Bildhauer haben oft eine besondere Vorliebe für den Tanz, denn der menschliche Körper in künstlerischer Bewegung stellt gleichermaßen eine Steigerung der skulpturalen Möglichkeiten wie eine Herausforderung an den bildenden Künstler dar. Georg Kolbe wurde durch seine Darstellung einer Tänzerin (1912) berühmt und schrieb an Clotilde von Derp nach ihrem Berliner Gastspiel 1916:
„Zweifellos sind Sie für mich die erste Tänzerin Deutschlands. Ja, ich hatte bis heute nicht geglaubt, dass es bei uns eine solche Tänzerin geben kann. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Haben Sie meine Bronze 'Tänzerin' in der hiesigen Nationalgalerie gesehen? Ich frage nicht, weil ich meine, dass sie Ihnen zusagen müsste – ich selbst wünschte sie heute anders. Aber ich möchte mich Ihnen damit nur als sehr begeisterten Anhänger der Tanzkunst, des tanzenden Körpers vorstellen. Bleiben Sie lange hier? Wäre es möglich, dass ich Sie kennen lerne? Sie werden verstehen, dass ich von Ihnen noch viel mehr haben würde, könnte ich ein paar Zeichnungen von Ihnen machen.“
Wenn ein Bildhauer wie Raymond / Raimondo Puccinelli dann sogar eine Tänzerin heiratet, ist es erst recht nicht verwunderlich, daß der bewegte Körper im Oeuvre der Skulpturen, gerade aber auch bei den Zeichnungen und Skizzen eine zentrale Rolle einnimmt. Trotz vieler Umzüge und einer Flutkatastrophe, die sein Atelier in Florenz an der Piazza Donatello überschwemmte, haben ca. 1.700 tanzbezogene Zeichnungen und Skizzen in Puccinellis Nachlaß überlebt.
Einen solchen Schatz, einen seit dem Tod eines Künstlers, ja vermutlich schon jahrzehntelang zuvor unberührt gebliebenen Teil des Werkes als Erster sichten zu dürfen, ist ein einzigartiger Moment im Leben jedes Kunstliebhabers. Die Übernahme und anschließende Auflösung eines solchen Nachlasses durch den Kunsthandel ermöglicht privaten Kunstsammlern ebenso wie den verschiedensten öffentlichen Museen den Ankauf einzelner Werke. Andererseits jedoch erschwert solche Vereinzelung die Erforschung des Werkes erheblich und kann sich fatal auf den Nachruhm des Künstlers auswirken: Ausstellungen, Bücher und andere Publikationen sind schwierig zu realisieren, wenn das Werk verstreut und weniger gut zugänglich ist. Ganz besonders problematisch wird es für die wissenschaftliche Forschung, wenn nicht ein Ausstellungsprojekt lockt, sondern die privaten Besitzer aufgespürt und überzeugt werden müssen, um "Inhalte" – in diesem Fall den künstlerischen Tanz – zu erforschen.
Raimondo Puccinellis Familie steht dem Tanz nahe. Sie möchte gerne ein größeres Konvolut von tanzbezüglichen Zeichnungen zusammen an einer Stelle unterbringen, am liebsten dort, wo man den Tanz ohnehin liebt, an einem öffentlichen Ort, der ein Pilgerziel für all jene darstellt, die sich mit Tanz schauend und forschend beschäftigen. Vor allem jene Werke wären hierfür interessant, bei denen sich durch Bezeichnung oder eindeutige Darstellung ein konkreter Bezug zu den genannten Protagonisten des künstlerischen Tanzes herstellen ließ: Martha Graham und Company, Mary Wigman und Tanzgruppe, Hanya Holm, Doris Humphrey, Harald Kreutzberg, Yvonne Georgi, Yeichi Nimura und andere.
Das Deutsche Tanzarchiv Köln soll nach dem Willen der Familie dieser zukünftige öffentliche Aufbewahrungsort sein. Dies wäre auch in Hinblick auf aktuelles starkes Interesse aus den USA, den ganzen Nachlaß zu erwerben, von großem Vorteil, denn somit bliebe eine Auswahl der wichtigsten und schönsten Tanzzeichnungen und –skizzen in Europa zugänglich. Raimondo Puccinellis Familie hat daher im Februar 2008 ein Projekt hierzu gestartet und sucht nun ca. 25 kunstliebende Sponsoren, die bereit wären, Zeichnungen und Skizzen aus der Vorauswahl zu einem Vorzugspreis (von z.B. 1.000,- Euro) zu erwerben und anschließend dem Deutschen Tanzarchiv Köln zum Aufbau einer Puccinelli-Sammlung (das dafür eine Spendenbescheinigung ausstellen wird) zu stiften. Gelingt es durch das gemeinsame Engagement vieler, ein so wichtiges Konvolut in einem öffentlichen Museum in Deutschland unterzubringen, wird das Tanzarchiv eine Auswahl der Zeichnungen - ergänzt durch einige Leihgaben an Skulpturen - in einer Ausstellung präsentieren, und die Familie des Künstlers möchte sich dadurch erkenntlich zeigen, daß sie anläßlich der Ausstellung unter den Förderern als Dank eine weitere Original-Handzeichnung Puccinellis verlosen wird.
Depot Haus Grafenwald Hildegard Modlmayr-Heimath Neustr. 4 46325 Borken-Gemen Tel. 02861-2173 Fax 02861-66660 e-mail: Depot-Haus-Grafenwald(at)web.de
Liste der Sponsoren des Projekts:
01) Herr Bernhard Volkenhoff, Emsdetten 02) Herr Hartmut Schlüter-Müller & Frau Michaela Müller, Borken-Gemen 03) Herr Robert Kemper, Borken 04) Frau Rosy v. Westerholt, Marl 05) Prof. Dr. Wolfgang von Hippel, Heidelberg 06) Frau Katharina Heßling, Borken 07) Herr Hubert Volkenhoff, Hamm-Bockum 08) Herr Dr. Andreas Poll, Borken 09) Herr Karl Terhorst, Wittmund 10) Frau Gisela Peters-Rohse, Köln 11) Deutsche Bank AG, Filiale Köln 12) Freunde der Tanzkunst am Deutschen Tanzarchiv Köln 13) Herr Dr. Dieter Hülsken, Kirchhellen 14) Prof. Dr. Frank-Manuel Peter, Köln 15) Herr Heinrich Esters, Köln 16)
© Raimondo Puccinelli Estate, Florenz
Ausstellungsbroschüre: Pas de trois. Annelise Löffler, Anneliese Planken, Wilhelm Gorré. Deutsches Tanzarchiv Köln/SK Stiftung Kultur und Stadt Köln, Kulturamt, Köln 2001