Als Mitglied der Berliner Secession und als bereits etablierter Gesellschaftsporträtist und Landschaftsmaler erlebte Ernst Oppler am 5. Mai 1909 eine künstlerische Sensation, die seinem Schaffen eine völlig neue Ausrichtung gab: das Russische Ballett mit seiner Solistin Anna Pawlowa. Dass die 1898 unter dem Namen „Berliner Secession“ gegründete Künstlervereinigung der kunstinteressierten Öffentlichkeit heute noch ein Begriff ist, liegt einerseits daran, dass ihr Engagement um die Förderung moderner Kunstströmungen (wie den Impressionismus) gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Und natürlich daran, dass man die Werke ihrer Mitglieder aus den Museen kennt: Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Slevogt, Emil Orlik, Otto Modersohn, Emil Nolde, Wassily Kandinsky, Käthe Kollwitz, Lyonel Feininger, Max Beckmann und unzählige andere gehörten der Berliner Secession an.

Programmzettel (Cover) der Kroll-Oper

Was aber nahezu unbekannt ist: Die Secession hat durch ihren damaligen Vorsitzenden, den Kunsthändler Paul Cassirer, auch das Auftreten des Russischen Balletts in Berlin gefördert. In einer Zeit, als die Künstler und die Kritiker vom freien modernen Tanz der Isadora Duncan oder von den Wiesenthal-Schwestern schwärmten, hat der Vorstand der Secession ein zweiwöchiges Gastspiel des Kaiserlichen Russischen Balletts in Berlin arrangiert. Diesem wurde am Vortag eine geschlossene Voraufführung für die Mitglieder der Secession und für die Presse vorangestellt mit einem anschließenden Bankett für dieses Publikum und die Mitglieder des Balletts. In den nächsten Tagen strömte das Publikum ins Theater, der Erfolg war bahnbrechend. Die Secession hatte hierdurch die Basis für unzählige deutsche Gastspiele der ungefähr zwei Wochen später erstmals in Paris aufgetretenen, von Serge de Diaghilev gegründeten Tournee-Kompanie der „Ballets Russes“ mit Fokine, Nijinsky, Karsavina u.v.a. geschaffen. Für die Maler, aber vor allem für Ernst Oppler war bereits die Berliner Aufführung vom Mai 1909 ein Schlüsselerlebnis und Wendepunkt: Oppler wurde nun zu einem begeisterten Maler des Tanzes.

Ausstellung Berliner Secession: Einladung für einen Ball der Berliner Secession, Tänzerin mit Bär Einladung für einen Ball der Berliner Secession
© Deutsches Tanzarchiv Köln
Ausstellung Berliner Secession: Einladung für einen Ball der Berliner Secession, Tänzerin mit Bär
Einladung für einen Ball der Berliner Secession

Von besonderer Bedeutung war sicherlich die so überaus freundliche Aufnahme, die mir gleich bei meinem ersten Gastspiel in Berlin zu Teil geworden ist. Dies hat mich sehr ermutigt, denn ich war ja meines Sieges gar nicht gewiss, als ich auszog, um eine Kunst zu zeigen, die in Europa in Vergessenheit geraten war. Und mit ganz besonderer Dankbarkeit muss ich der Berliner Secession gedenken, die, mit Herrn Paul Cassirer an der Spitze, sich gleich zu mir bekannte und mich und meine Truppe mit einem Bankett im Hotel Esplanade feierte.

Anna Pawlowa erinnert sich im Jahr 1913 an das Gastspiel in Berlin