Kein Tanz am Karfreitag! Mitglieder hessischer Piratenpartei sind im Kampf gegen das Feiertags-Tanzverbot vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.

Kölner Stadt-Anzeiger 7./8. April 2012

Immer wieder geriet der Tanz im Laufe seiner Geschichte in Konflikt mit der Politik und der Macht. Tanzverbote waren die Folge und wurden sowohl durch weltliche als auch kirchliche Obrigkeiten ausgesprochen. Vielfältig und zahlreich waren auch die Warnungen vor den schädlichen Wirkungen des Tanzens für Geist und Seele. Tanzverbote gibt es auch heute noch: So untersagt das Feiertagsgesetz Nordrhein-Westfalen u. a. öffentliche Tanzveranstaltungen sowie tänzerische Darbietungen an den sogenannten „stillen christlichen Feiertagen“ – dem Abend des Gründonnerstag, am Karfreitag sowie an den Totengedenktagen im November. Doch dagegen regt sich Widerstand.

Weltweit engagieren sich Frauen und Männer für ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen und für Gleichstellung. Einmal im Jahr wird dieser Protest öffentlich – mit Tanz- und Kunstaktionen auf der ganzen Welt.

Insofern ist auch der Staatsmann künstlerischer Mensch, als er der rohen Masse, die ohne ihn rohe Masse bleiben würde, nun die Gestalt, die Form, die Organisation, das Tempo, den Rhythmus gibt und sie nun in den Dienst seiner künstlerischen, historischen Ideen stellt.

Reichspropagandaminister Joseph Goebbels am 10. Juni 1933

Tanzen im Dienst von Politik, Macht und Staat. Tanzen im Dienst des Volkes. Das war für Tänzer und Tänzerinnen Anerkennung und Herausforderung zugleich. In manchen politischen Systemen war es eine Pflicht, der man sich nicht entziehen wollte oder konnte. Tanz und Tänzer wurden so zum Werkzeug politischer und ideologischer Erziehung und Manipulation. Und manch ein Politiker empfand sich dabei gar als Choreograph.


Massenchoreographie während der Feierlichkeiten aus Anlass der Olympischen Sommerspiele in Berlin 1936

Allen Spiels heil’ger Sinn: Vaterlandes Hochgewinn. Vaterlandes höchst Gebot, in der Not: Opfertod!

Auszug aus dem Weihespiel „Olympische Jugend“, 1936

Harald Kreutzberg erhielt 1936 den Auftrag, anlässlich der Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele in Berlin, einen Waffentanz für das Festspiel „Olympische Jugend“ zu choreographieren. Die Gesamtregie des Festspiels lag in den Händen von Hanns Niedecken-Gebhard. Als Tänzerinnen und Choreographinnen wurden neben Harald Kreutzberg Mary Wigman und Gret Palucca engagiert. In seinen unveröffentlichten, um 1964 verfassten Memoiren erinnert sich Harald Kreutzberg: „Ich hatte meine Mitwirkung zugesagt, denn alles erschien mir wirklich ‚völkerversöhnend‘, und ich war besonders froh, dass Mary Wigman auch mitwirkte. Da standen wir dann also morgens in der unendlich scheinenden Weite des leeren Stadions. Wir kamen uns, trotz Riesengruppen, die wir anführten, verloren vor …“ Die Eröffnung war dann wirklich dies Imposante und Völkerversöhnende, als alle Nationen einmarschierten und am Abend die leuchtenden Finger der rund um das Stadion aufgestellten Scheinwerfer sich in einem Punkt hoch oben am dunklen Nachhimmel trafen, wie die Pfeiler eines riesigen Domes, in dem alle Menschen vereinigt schienen.


Olympia Ehrenzeichen 2. Klasse des Deutschen Reichs, verliehen an Mary Wigman, 1937

Über den Trümmern einer kranken Zeit hatten sich zusammengefunden die Bewegung und der Geist, ohne Zwischentritt.

Gottfried Benn, 1916

Vera Skoronel (1906–1932) Wohl bei keiner Tänzerin der 1920er Jahre verbanden sich das instinktive Erfassen zeitgenössischer Kunst- und Denkströmungen und die Suche nach eigenen Ausdrucksformen derart intensiv wie bei Vera Skoronel. Dies hinderte sie nicht daran, sich passioniert auch für ein gemeinsames Engagement für den Tanz über ästhetische und politische Differenzen hinweg einzusetzen: ‚Tänzer verbindet euch! Die Menschen tun es um politischer und religiöser Ideen willen in vorbildlicher Weise – ist denn der Tanz nicht Idee genug, ist es diese göttliche Kunst nicht wert, dass man sie der Menschheit näher bringt, sie durchsetzt!‘ 1932 starb Vera Skoronel im Alter von nur 25 Jahren.


Zwei Blätter aus der Bewegungsnotation des Tanzstückes „Erweckung der Massen“ von Vera Skoronel

Utopisches Denken und Rebellion gegen überkommene Formen, Strukturen und Regeln – im Leben wie in der Kunst – waren zu allen Zeiten das Vorrecht der Jugend. Immer wieder fanden die Kunst – und damit auch der Tanz – und das Leben dabei zu einem kreativen Miteinander. Sehnsucht und Suche nach neuen tänzerischen Ausdrucksformen verbanden sich mit dem Wunsch nach einer ganzheitlichen Veränderung des Lebens durch Tanz, Bewegung und Freiheit. Nirgendwo ist der Verlust der Einheit von Mensch und Natur spürbarer als in den Metropolen und ihren allein den Bedürfnissen der industriellen Produktion verpflichteten Lebens- und Arbeitsrhythmen. Die Ausgeglichenheit von Körper, Seele und Geist wird hier zu einem politischen Wert, für den es sich zu arbeiten und zu kämpfen lohnt. Fernab in der freien Natur, aber zunehmend auch in den Großstädten, entstehen in Folge Zentren, in denen gemeinschaftsbildende Formen von Tanz und Bewegung erfunden, erprobt und gelebt werden.
 

Oda Schottmüller (1905–1943) ‚Das gegen Oda Schottmüller durch den 2. Senat des Reichskriegsgerichts am 26. 1. 1943 verhängte Todesurteil ist am 5.8.1943 im Strafgefängnis Plötzensee vollstreckt worden.‘ Unter dem Fallbeil starb eine leidenschaftliche Künstlerin – Tänzerin und Bildhauerin. Begeistert von der Vielfalt des Tanzes im Berlin der 1920er Jahre entwickelte Oda Schottmüller erste eigene Tänze, die durch die Verwendung selbstgefertigter expressiver Masken und Kostüme Aufmerksamkeit bei Publikum und Kritik erregten. Ihr Kontakt mit dem Freundes- und Widerstandskreis um Harro Schulze-Boysen und ihre Sympathie mit Aktionen des Kreises gegen das nationalsozialistische Regime wurden ihr zum Verhängnis.


Die Tänzerin Oda Schottmüller Foto und Montage von Siegfried Enkelmann, 1947

Zur Abbildung mit Sterbeurkunde: Die kleine Katze stellt die letzte künstlerische Arbeit von Oda Schottmüller dar. Sie hat diese im Gefängnis gefertigt und – ebenso mehrere Kassiber – durch eine wohlmeinende Aufseherin ihrer ebenfalls inhaftierten Freundin Ina Lautenschläger („geliebtes Katzentier“ laut Kassiber) zukommen lassen.

Tanz ist politisch. Mit seiner Körperlichkeit und seiner Ausdruckskraft ist er in der Lage, gesellschaftlich-moralische Ordnungen zu bestätigen oder sie nachhaltig infrage zu stellen. Tanz kann aber auch Ausdruck politischen und sozialen Engagements sein. Tänzer und Choreographen engagieren sich mit ihrer Kunst auch im Widerstand gegen Diktaturen und Unrechtsregime. Zuweilen bezahlen sie dafür mit dem Verlust ihrer Heimat und lebenslangem Exil. Manchmal kostet es das Leben.


Sterbeurkunde von Oda Schottmüller und einer aus Brotteig modellierten Katze mit weiblichem Busen.

Wir werden noch tanzen,
wenn an Voscherau schon keiner mehr denkt!

Graffiti an der Hauswand eines besetzten Hauses in der Hamburger Hafenstraße in den 1980er Jahren